Notizen
Bildschirmpräsentation
Gliederung
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Verhaltensmodifikation
in der Schule
  • Prinzipien, Ansätze, Beispiele
  • R. Albertin, Heilpädagoge
  • Leiter Zentrum Pestalozzihaus
  • Zürich, den 10. Nov. 05
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Kennen Sie die Verhaltenstheorie?
  • Die Verhaltenstheorie
    • erklärt die psychodynamische Struktur eines Individuums
    • erklärt organisch-genetisch bedingte Differenzen
    • erklärt die Dynamik und Funktion von Beziehungen
    • erklärt die funktionalen Zusammenhänge zwischen Kontext und Individuum
    • erklärt die funktionalen Beziehungen zwischen einem Verhalten und seinen vorausgehenden, begleitenden und nachfolgenden Reizbedingungen
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Unterschied zu
biophysischen Ansätzen
  • Organisch-genetische Differenzen sind bestimmend.
  • versus


  • Gelernte Differenzen sind bestimmend.
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Unterschied zu psychodynamischen Ansätze
  • Persönlichkeitsstruktur, Emotionen und Antriebe sind bestimmend.


  • versus


  • Das Lerninventar ist bestimmend.
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Unterschied
 zu interaktionistischen Ansätzen
  • Beziehungsdynamik und Kommunikation sind bestimmend.


  • versus


  • Lernprozesse sind bestimmend.
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Unterschied
zu systemischen Ansätze
  • Kontextuelle Faktoren sind bestimmend.


  • versus


  • Das aktuelle „Lernsetting“ mit seinen Signal- und Steuerreizen ist bestimmend.
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Zentrale Aussagen
  • Das Modell basiert auf Lernen und konzentriert sich auf das Verhalten.


  • Das Lernmodell behandelt abweichendes Verhalten direkt.


  • Das Lernmodell geht vom dem Standpunkt aus, dass allem Verhalten dieselben psychologischen Prinzipien zugrunde liegen.


  • Das Lernmodell bedient sich derselben Methoden der Erforschung von Humanverhalten wie alle anderen Wissenschaften (Empirie).
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"Das Lernmodell fordert von Beobachtern..."

  • Das Lernmodell fordert von Beobachtern keine besonderen theoriebezogenen Fertigkeiten, doch setzt es die  Fähigkeit voraus, entsprechende Messungen vorzunehmen.


  • Lernorientierte Positionen anerkennen die wichtige Rolle, die vergangene Vorgänge bei der Formung erlernter Verhalten gespielt haben. Trotzdem sind Verhaltensmodifikations-programme  immer mit gegenwärtigen Verhaltensstörungen befasst.


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Wirksamkeit untersucht
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Grundlegende Erklärungsmuster

  • Klassisches Konditionieren
  • Operantes Konditionieren
  • Modell-Lernen
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Grundlegende Erklärungsmuster:
a) Klassisches Konditionieren
  • Futter führt zur Speichelabsonderung beim Hund (Reflex)


  • Ton führt nicht zur Speichelabsonderung


  • nach öfterer zeitlicher Paarung von Futter und Ton löst der Ton eine Speichelabsonderung aus (bedingter Reflex).
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Grundlegende Erklärungsmuster:
b) Operantes Konditionieren

  • Wird die richtige Tafel im Signalkasten gezeigt
  • und durch ein Picken an der Scheibe getroffen
  • hebt sich der Futtertrog kurz
  • die Taube kann sich ihre Belohnung holen.
  • Bei der falschen Tafel erhält sie keine Belohnung.
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Grundlegende Erklärungsmuster:
c) Modell-Lernen

  • Unter Modelllernen wird die Aneignung, Aktualisierung oder Veränderung von Verhaltensweisen durch die Beobachtung einer anderen Person verstanden.


  • Das Paradigma des Modelllernens ist von Bandura in den 60er-Jahren ausgearbeitet worden. Er hat damit die Grundlagen für die kognitive Wende der Verhaltensmodifikation gelegt.
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Fazit:
Verhalten beruht auf Lernprozessen
  • Psychosoziale Vorgänge die als Verhaltensstörungen oder auffälliges Verhalten diagnostiziert werden


  • (Unterschreiten / Überschreiten üblicher Verhaltensmodi)


  • lassen sich als Lernprozesse beschreiben.
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Die Entwicklung des Sozialen Behaviorismus
  • Watson, Pawlow, Thorndike bis 1930: Zwischen Reiz und Reaktion geschieht nichts «Black box».


  • Skinner, Dollard, ... bis 1960: Die «Black box» ist relevant, aber kaum zugänglich.


  • Lewin, Bandura, ... bis 1980: Das Verhalten wird durch Person und Umwelt bestimmt [V=P*U], bzw. besteht ein reziproker Determinismus.
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Für die Schule bedeutet Verhaltensmodifikation:
  • systematische Verhaltensbeeinflussung


  • durch geplantes, kontrolliertes Vorgehen


  • orientiert an lerntheoretischen Paradigmen
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oder als pädagogischer Grundsatz:

  • Kinder brauchen Ziele!
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Verhaltensveränderungen werden herbeigeführt:
  • durch die dem Verhalten vorausgehenden Ereignisse
    • (Steuerreize)

  • durch mentale Prozesse
    • (Kognitionen, motivationale Konstellationen, Gefühle)

  • durch die nachfolgenden Ereignisse (Verhaltenskonsequenzen)
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Grundschema einer Intervention
  • Problemdefinition
  • Legitimationsprüfung
  • Ist-Analyse (Datenerhebung)
  • Soll-Analyse (Festlegung der Zielverhaltensweise)
  • Erarbeitung eines Modifikationsplanes
  • Durchführung der Massnahmen
  • Evaluation der Zielerreichung (Kontrolle der Effektivität)
  • Sicherung des Zielverhaltens (Generalisierung)
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1. Problemdefinition
  • An erster Stelle steht eine möglichst klare Problem-definition auf der Grund-lage von Informationen über beobachtete Verhal-tensschwierigkeiten und problemhafte Situationen.
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Kriterien Problemdefinition:
  • eindeutig, abgrenzbar


  • sichtbar


  • personunabhängig


  • zählbar, wiederholbar, überprüfbar
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Beispiel Problemdefinition
  • Gemurmelte oder gesprochene Kommentare ohne vorbestimmten Empfänger (gleicher Inhalt = 1 Kommentar)


  • Dienstag 9-10 Uhr Sprache
  • Mittwoch 9-10 Uhr Realien
  • Donnerstag 14-15 Uhr Zeichnen
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2. Legitimationsprüfung
  • wird meine Einschätzung des fokussierten Verhaltens geteilt?


  • ist es sinnvoll, das fokussierte Verhalten mit den Mitteln der Verhaltensmodifikation anzugehen?


  • bin ich berechtigt und geeignet, das fokussierte Verhalten anzugehen?




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Beispiel Legitimationsprüfung
  • Gemütszustände (Trauer, Freude, Wut ...) sind nicht geeignet.


  • Privates, Persönliches (z.B. Bettnässen) ist nicht zulässig.


  • Bindung an individuelle Sichtweisen (z.B. keine Hosen tragen) ist nicht zulässig.


  • Loyalitätsbezeugungen (z.B. hier besser sein als dort) sind nicht zulässig.
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3. Ist-Analyse
  • Zusammenhänge in den Verhaltensweisen aufdecken zwischen:
      • vorhergehenden Stimuli,
      • den begleitenden (Kognitionen)
      • und nachfolgenden Ereignissen (Konsequenzen)

  • begründete Hinweise für die Erstellung eines Modifikationspla-nes liefern


  • einen Beurteilungsmassstab für die Zielverhaltensweise finden helfen


  • Daten liefern, an denen im Verlauf der Modifikation gemessen werden kann, ob die   eingesetzten Massnahmen wirksam sind oder nicht und die Modifikation als gelungen bezeichnet werden kann.
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Ist-Analyse Roni
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base-line für Roni
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4. Soll-Analyse

  • In der Soll-Analyse wird das Modifikationsziel operational bestimmt.


  • Festlegungen sollten auf der Basis der Grundratendaten (IST-Analyse) gemeinsam mit den Betroffenen erfolgen.
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Soll-Analyse Roni

  • 3 oder mehr gerichtete Interventionen pro Lektion


  • 1 oder keine ungerichtete Intervention pro Lektion
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5. Modifikationsplan / Durchführung
  • Operationalisierung des Problem- und des Zielverhaltens


  • Welche sind die relevanten Situationen?


  • Welche Verstärker sollen eingesetzt werden?


  • Können die Verstärker wirklich unmittelbar nach dem Verhalten gesetzt werden oder gibt es dabei Probleme?


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Empfehlung
  • belohne sofort
  • belohne häufig mit kleinen Beiträgen
  • Leistung belohnen, nicht Gehorsam
  • belohne fair, klar, ehrlich, positiv
  • belohne systematisch
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Kontingenzvertrag

  • Vertragspartner


  • Vertragsbestimmungen (Geschäft)


  • Vertragsdauer
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Kontingenzvertrag Roni
  • Vertragspartner: R. Albertin und Ron
  • Vertragsdauer: 22. Nov. – 3. Dez.
  • Bestimmungen:
    • Roni
      • streckt am Dienstag (Sp), Mittwoch (Ra) und Donnerstag (Z) jeweils mindestens 3x auf und gibt einen Beitrag.
      • macht in obigen Lektionen nicht mehr als 1 ungerichtete Intervention


    • Herr Albertin
      • gibt Roni nach jeder Stunde ein Fussballbild zur Auswahl
      • macht am Freitag im Turnen jeweils Fussball




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Kontingenzvertrag mit Mängeln
  • Vertragsvereinbarungen:


  • Die Anweisungen aller Lehrer sofort befolgen


  • Mehr positive Äusserungen, Respekt zu Hause


  • Den andern helfen; aufstrecken und Zeichen von Lehrer abwarten


  • keine Drohungen mehr gegenüber Lehrkräften
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Kooperative Verhaltensmodifikation

  • In der Schule praktizierte Verhaltensmodifikation ist häufig sehr erfolgreich, wenn es gelingt, Eltern an der Intervention zu beteiligen.


  • Vor allem in Bezug auf Schüler, für die in der Schule wählbare Verstärker nicht effektiv sind, oder für die das Elternhaus die Hauptquelle für Verstärkung ist
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Kooperative Verhaltensmodifikation
Kontingenzvertrag Adrian
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Kooperative Verhaltensmodifikation
Kontingenzvertrag Adrian
  • Der Schüler Adrian verpflichtet sich, vom 16. August bis zum 8. Oktober:


    • zu Hause 07.15 Uhr angezogen am Tisch
    • 07.40 die Wohnung verlassen


    • Schule Buchabschnitt auswendig erzählen Am Di unaufgefordert in Therapie
    • Turn- und Badzeug dabei


    • Hort unaufgefordert Hausaufgaben beginnen
    • Initiative für ein Spiel ergreifen
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Kooperative Verhaltensmodifikation
Durchführung Adrian
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Kooperative Verhaltensmodifikation
Verstärker Adrian

  • 50 Punkte: Begleitung des Vaters nach Italien zu den antiken Schätzen


  • 20 Punkte: ein Modellbau-Flugzeug


  • 20 Punkte: zusammen einen Coupe essen


  • 20 Punkte: ein Nachmittag mit der ganzen Familie im Hallenbad
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Kooperative Verhaltensmodifikation
Verhaltensprojekte unter Einbezug aller Betroffenen (Schley)
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Kooperative Verhaltensmodifikation
Einbezug Selbsteinschätzung
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7. Evaluation

  • Modifikationsziele erreicht?
  • Interventionen angemessen?


  • Verstärker angemessen?


  • situative Einflüsse?
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8. Sicherung

  • Stärkung oder Ausformung angemessenen Verhaltens:
    • Transfergebot: Das aufgebaute Verhalten in vielen relevanten Situationsfeldern verwirklichen
    • Stabilitätsgebot: Das aufgebaute Verhalten dauerhaft aufrecht zu erhalten

  • Einbindung des gelernten Verhaltens in einen Stimulus- und Verstärkungskontext
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Weitere Formen und Abwandlungen

  • Modell-Lernen


  • Selbstinstruktion


  • Entspannungsverfahren
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Weitere Formen:
Modelllernen
  • Modelllerntechniken haben sich insbesondere bei regredierten, ängstlichen und gehemmten Kindern, bei Vorliegen mutistischen Verhaltens sowie bei sozia-len Verhaltensstörungen in Verbindung mit Rollenspiel bewährt.
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Weitere Formen:
Selbstinstruktionstrainings
  • Die Befähigung des Lernenden zu Selbststeuerung und Selbstregulation ist in der Verhaltenstheorie zentral. Eine besondere Interventionsform ist das Selbstinstruktionslernen. Selbstinstruktionstrainings  machen sich die Handlungsregulation durch Sprache zunutze.


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Weitere Formen:
Entspannungsverfahren
  • Entspannungsverfahren schaffen die notwen-digen Voraussetzun-gen (z.B. AT).
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Gruppenbezogene Ansätze

  • In den Praxisfeldern der pädagogischen Verhaltensmodifikation sind überdies gruppenbezogene Ansätze mit Erfolg erprobt worden.


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Arbeit mit Gruppen:
Beispiel
  • Aufgaben vollständig und vor 08.00 Uhr auf dem Lehrertisch


  • Keine Intervention des Lehrers während der Lektion notwendig


  • Nach der Pause ruhig am Platz arbeitend


  • Turn- und Badzeug vollständig
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Arbeit mit Gruppen:
Beispiel Verhaltenskodex
  • Was könnte ein +1 geben?
    • tadelloses Benehmen (Grüssen, Warten, Essen, Haltung, ...)
    • kooperatives Verhalten
    • eine freiwillige Zusatzarbeit
    • Pünktlichkeit
    • selbständige Sorge um Kleidung und Hygiene
    • sehr gute Schulleistungen
  • Was könnte ein -1 geben?
    • ungenügender Gehorsam
    • Schulausschluss in irgend einer Form
    • Schimpfwörter
    • freche Reaktionen
    • Streitereien
    • ungenügendes Erledingen von Hausaufgaben (Menge, Qualität)
    • ungenügendes Erledigen von Aemtlis (Menge, Qualität)
    • zu spät kommen
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Arbeit mit Gruppen:
Beispiel Verhaltenskodex
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Arbeit mit Gruppen:
Beispiel Verhaltenskodex
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was spricht dagegen?

  • Randprobleme
  • kein spontanes Handeln
  • kaum Einsichten
  • keine Lösung innerseelischer Konflikte
  • mechanistisch und unpersönlich
  • Verwöhnung durch Verstärkung
  • Manipulation und Fremdsteuerung


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was spricht dafür?

  • abgegrenzte Dauer der Massnahme
  • Situationsbezogenheit
  • keine Ausschluss von Laien
  • Wirksamkeit kann kontrolliert werden
  • Transparenz des Verfahrens
  • konkrete und beobachtbare Phänomene
  • Erfolg wissenschaftlich nachgewiesen (K. Grawe, Bern)
  • genaues Beobachten notwendig
  • Einbezug von der Betroffenen
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Grenzen
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Kennen Sie die Verhaltenstheorie?
  • c
  • a
  • b
  • a
  • c
  • b
  • a
  • c
  • a
  • b
  • a
  • a


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Auftrag Gruppenarbeit (45 min)
  • Gruppenbildung (4-5) Personen


  • Auswahl eines Fallbeispiels (Kind mit schwierigem Verhalten) aus der Praxis


  • Entwicklung eines Modifikationsplanes, inkl. Kontingenzvertrag


  • Zu definieren sind insbesondere:
      • störendes Verhalten (Ist-Situation)
      • Zielverhalten (Soll-Situation)
      • Verstärker
      • Durchführung
      • Beteiligte

  • Fragen und Schwierigkeiten notieren


  • Abgabe der entwickelten Unterlage